Inzwischen kann man guter Hoffnung sein kann, daß die Medienberichterstattung über den neuen Papst Franziskus langsam nachläßt und man nicht mehr erschrocken vom Sofa fallen muß, wenn man, nichts Böses ahnend, eine Serie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anschaut und plötzlich weißen Rauch aufsteigen sieht: Die „München 7“-Folge „Ein letztes Mal“ wurde wegen der Papstwahl unterbrochen (siehe auch Wikipedia), auf einem Großteil der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender wurde, gleichgeschaltet, „Papst“ gezeigt.
Doch die Freude währt nicht lange: Ostern steht vor der Tür und damit werden wir sicher wieder mit den neuesten klerikalen Aussagen in allen Medien bombardiert werden. Aber auch wir Militante Atheisten haben vor Ostern natürlich schon ein Ziel im Auge: Das Karfreitagstanzverbot. Und so beginnt das jährliche Ringelreihen – juhe!
Tanzverbot – hier zitiere ich mal meinen eigenen Blog: damals geschrieben kurz nach Allerheiligen, einem weiteren stillen Feiertag, an dem es verboten ist, in Schankbetrieben oder unangemessen Musik darzubieten:
„An und für sich eine Lappalie: da ist es verboten, an einigen Tagen im Jahr öffentlich zu Tanzen und Musik zu spielen (Süddeutsche Zeitung). Man könnte nun meinen, den Kirchgängern an Allerheiligen könnte es wurstegal sein, wenn im benachbarten Industriegebiet eine Disco im Untergeschoß wummert. Ist es aber nicht! Das Tanzverbot wird mit Händen und Füßen verteidigt.“
Ach ja, natürlich sind an Karfreitag auch Sportveranstaltungen nicht erlaubt, ich erinnere an die letztjährige Diskussion um ein Schachturnier in Weißenburg.
Während die humanistische, freigeistliche Giordano-Bruno-Stiftung zusammen mit anderen Gruppierungen in vielen deutschen Städten das Hasenfest feiert (siehe auch Atheist Media Blog), eröffnet die evangelische Kirche in Deutschland mit der Veröffentlichung eines Interviews mit ihrem Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. An diesem Interview kann man sehr schön verdeutlichen, mit welchem „Blabla“ Scheinargumente dargebracht werden.
Auf die Frage. warum Gott die Grausamkeit des Kreuztodes Jesu zulasse, antwortet Schneider: „Ich bin ein wenig zurückhaltend, Gottes Haltung beschreiben und begründen zu wollen. Das sollte sich kein Mensch anmaßen.“ Juhu! Regel Nummer 1 bei theologischen Aussagen: Wir sind nicht würdig, darüber zu urteilen oder wir können es schlichtweg nicht begreifen. Blabla.
Nächste Frage: „Wie ist die Frage heute zu beantworten, ob Ostern das Grab Jesu leer war? „. Schneider antwortet: „Da lasse ich mich auf physikalische oder biochemische Debatten überhaupt nicht ein.“ Prima – das ist ein sehr kluger Zug. Denn wenn Theologen überprüfbare naturwissenschaftliche Aussagen machen, dann müssen sie sich auch daran messen lassen, indem man diese Aussagen wissenschaftlich überprüft. Wird Schneider diesen Fallstrick vermeiden…: „Auf der theologischen Ebene kann ich nur sagen: Klar war das Grab leer.“ Bumm. Eine klare, naturwissenschaftliche Aussage: Erst war jemand im Grab drin, danach war es leer. Auf die Frage, wie das denn gehe, sagt Schneider: „Das gehört zu den Geheimnissen, wie Gott überhaupt Leben geschaffen hat.“ Juhu – wir wenden wieder Regel Nummer 1 an. Das schöne an Regel Nummer 1 ist, daß sich damit alle Aussagen der Welt begründen lassen. Warum überlebt unsere Bayerischer Ministerpräsident die Begegnung mit einem Geisterfahrer auf der Autobahn, warum müssen andere bei solchen Gelegenheiten sterben? Gott hat’s gemacht! Wie? Das ist für uns Menschen nicht zu verstehen. Die offensichtliche Antwort, Seehofer hatte schlichtweg ein gutes Sicherheitsteam und gute Fahrer, ist da sicher nicht so tragend.
Aber ich schweife ab, nun zum Thema Karfreitag und Tanzverbot! Befragt nach seiner Haltung zur Feiertagsruhe an Karfreitag sagt Schneider: „Ob wir als Kirchen Gottesdienst feiern können, hängt nicht von einem geschützten Feiertag ab.“ Juhu! Das ist doch mal ein klares Wort! Und weiter: „Es gibt eine kulturelle Prägung unserer Gesellschaft. Und es tut der Gesellschaft gut, sich Fragen des Sterbens, der Endlichkeit, des Bösen und der Zerstörung zu stellen […] Dazu brauchen Menschen Konzentration und Stille.“
Ich möchte hier auf das bayerischen Feiertagsgesetz verweisen: Das ganze Gesetz bezieht sich an vielen Stellen auf eine mögliche Störung des Gottesdienstes. Ich möchte hier klarstellen: Natürlich soll es jedem möglich sein, ungestört einen Gottesdienst in einer Kirche, Moschee, Synagogen oder anderen religiösen Räumen durchzuführen. Die Frage ist hier: wie kann eine Diskothek im Industriegebiet den Gottesdienst in einer Kirche am Marktplatz stören? Schneider sieht das wohl, laut seinem obigen Zitat, genauso wie ich: gar nicht. Deswegen sind diese entsprechend Gesetzesstellen schlichtweg unnötig. Die zweite Aussage, die in Schneiders Antwort enthalten ist, ist dagegen sehr bedenklich: Schneider maßt sich hier an, den Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie mit Trauer und dem „Bösen“ umgehen sollen. Nebenbei: was genau „das Böse“ denn nun ist, definiert Schneider nicht, wahrscheinlich müßten wir dann wieder Regel Nummer 1 anwenden. Was genau ist so perfide an Schneiders Aussage? Nicht nur, daß er verlangt, daß wir in „Konzentration und Stille“ über diese Dinge nachdenken, er schreibt uns auch noch vor, wann wir das tun sollen! Geht’s denn noch?
Etwas später baut Schneider diese Aussage noch aus: „Warum wollt Ihr keine Rücksicht nehmen auf die öffentliche Kultur, die den Karfreitag als stillen Feiertag tradiert? Was ist da eigentlich los?“ Herr Schneider: Kultur ist das, was die Gesellschaft lebt! Kultur lebt und verändert sich! Wenn jemand am Aschermittwoch Schweinsbraten ißt und an Karfreitag auf einer Technoparty wild abtanzt: dann ist dies eben auch Kultur!
Schneider fügt noch einige unbeweisbare, religiösen Aussagen an (blabla), um seine Meinung zu untermauern. Aber dann die Überraschung. Es wird mal nicht Regel Nummer 1 angewendet, sondern Totschlagargument 2: „Iß Deine Suppe auf!“ – „Warum?“ – „In Afrika sterben die Kinder.“. In Schneiders Worten: „Sind gemeinsame, stille Feiertage für Euch nicht wichtig oder seid Ihr so hemmungslose Egoisten[…] Öffentlicher Protest ist nötig. Aber sind das die Freiheitsfragen, die wir heute haben?„. Was hat das mit der Suppe zu tun? So wie das Aufessen der Suppe keinem hungrigen in einem anderen Land hilft, genauso wenig hilft der Verzicht auf Kritik am Tanzverbot, das andere wichtigere „Freiheitsfragen“ gelöst werden. Genauso gut könnte man einem Tierschützer das Nonsensargument „Kümmere Dich nicht um die doofen Katzen, sondern lieber um Obdachlose“ entgegenwerfen.
Ich möchte nicht mißverstanden werden: natürlich gibt es wichtige Werte, die aus der Gesellschaft kommen müssen. Manche dieser Werte sind es „wert“ in Gesetze gegossen zu werden, wie Gesetze gegen Mord oder Diebstahl oder Diskriminierung. Unsere Gesetze regeln vor allem Dinge, deren Nichteinhaltung einem einzelnen oder auch der Gesellschaft an sich schadet. Der Schaden, der entsteht, wenn man, ohne Störung von religiösen Feierlichkeiten, Musik spielt, tanzt und Freude hat, ist mir schlichtweg nicht ersichtlich.